Heute dagegen, morgen dafür? So fragt die taz in Bezug auf den Umgang von LINKEN und Grünen mit der jüngst in Bundestag und Bundesrat durchgesetzten Grundgesetzänderungen. In den vergangenen Tagen hat die LINKE im Bundestag sich vehement gegen das „Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes“ gewandt, weil es die Privatisierung der Autobahnen ermöglicht. Wenige Tage später haben die LINKS mitregierten Länder Thüringen, Berlin und Brandenburg dem gleichen Gesetz im Bundesrat zugestimmt. Die LINKE hat also (wie übrigens auch die Grünen), einem Gesetz im Bundesrat zugestimmt, das sie im Bundestag ablehnte. Hätten Grüne und LINKE der Grundgesetzänderung im Bundesrat ihre Zustimmung verweigert, hätte die Privatisierung der Autobahnen im Ansatz verhindert werden können.

Wie kam es zu dem schizophren anmutenden Abstimmungsverhalten?

Wie kommt es, dass die LINKE in Koalitionsregierungen einer Grundgesetzänderung zustimmt, die die Privatisierung der Autobahnen ermöglicht? Und das, obwohl alle LINKEN, die dem Gesetz schlussendlich zugestimmt haben, Privatisierungen ausdrücklich ablehnen? Das Grundproblem lässt sich einfach zusammenfassen: Die Grundgesetzänderung zur Privatisierung der Autobahnen wurde an die „Bund-Länder-Finanzen“ gekoppelt. Für Brandenburg geht es dabei um mindestens 780 Mio. € pro Jahr. Für Thüringen sind es mindestens 845 Mio. € pro Jahr, für Berlin 460 Mio. € jährlich. Weitere 1,8 Mrd. € für Brandenburg sowie 2,2 Mrd. € für Thüringen und rund 3,5 Mrd. € für Berlin wären in erheblichem Umfang mit Risiken behaftet gewesen. Die Länder wurden also schlicht erpresst.

Die LINKEN Regierungen in Thüringen, Berlin und Brandenburg haben denn auch festgehalten, dass sie weiterhin gegen die Privatisierung der Autobahnen kämpfen. Sie hoffen nun, über gesetzliche Regelungen ein Verbot von öffentlich privaten Partnerschaften (ÖPPs), die eine indirekte Privatisierung darstellen, zu erwirken. Das Problem ist, dass ein solches Verbot nicht den Status einer Grundgesetzregelung hätte. Eine schwarz-gelbe Regierung könnte die Hintertür für Privatisierungen also jederzeit wieder öffnen.

Ist die LINKE erpressbar?

Für uns LINKE stellt dieser Fall ein symptomatisches Beispiel dar, an dem diskutiert werden sollte, wie „eigentlich“ vorhandene „rote Haltelinien“ aufgrund systemischer Sachzwänge ausgesetzt werden. Eigentlich gilt die Parteilinie: „Die LINKE stimmt keinen Privatisierungen zu“. Faktisch hat sie sich im Bundesrat erpressen lassen und einer Grundgesetzänderung zugestimmt, die Privatisierungen ermöglicht. Zwar nicht aus Überzeugung, sondern im Rahmen eines Kuhhandels, aber dennoch zugestimmt.

Die LINKEN in Thüringen, Brandenburg und Berlin argumentieren in einer Stellungnahme, dass ihre Zustimmung zur Grundgesetzänderung kein Verstoß gegen die Parteilinie darstelle: „Wir haben alles Erdenkliche gegen die Autobahnprivatisierung in Bewegung gesetzt und dabei auch beachtliche Erfolge erzielt. Aber wir haben nicht 100% erreicht. Unsere Position bleibt dennoch klar: wir bleiben entschiedene ÖPP-Gegner.“ Zumindest der erste Satz ist allerdings nicht korrekt: Etwas „erdenkliches“ hätten sie noch tun können: Dem Gesetz im Bundesrat die Zustimmung zu entziehen. Damit hätten sie zwar auch ihre Länderfinanzen abgelehnt, durchgegangen wäre die Regelung aber wahrscheinlich dennoch. Und die LINKE hätte nicht das Problem, sich kurz vor der Bundestagswahl als in Kernfragen inkonsequent abstimmend präsentiert zu haben.

 

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