Gastbeitrag aus der Leihkeule.
Spricht man mit Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern heißt es oft, Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter könne man nicht organisieren. Die Kolleg*innen der Leihkeule haben Interviews mit Kollegen geführt, die es trotzdem versuchen und dabei erfolgreich sind.
Interview mit Alex Schalber, Gründer der Interessengemeinschaft der Leiharbeiter*innen (IGL)
Wie kam es zur Gründung der IGL?
Nach Erfahrungen mit der Leiharbeit über fast 2 Jahrzehnte wurde mir klar, dass man sich in dem Bereich formieren muss und weil Gewerkschaften das versäumt haben, habe ich die IGL, die Interessengemeinschaft der Leiharbeiter gegründet.
Was waren deine ersten Schritte?
Ich habe gelernt, dass das Internet nicht der richtige Weg ist und habe mich bei Schichtwechsel vor die Tore gestellt und erlebt, dass viele angst haben, sich zu wehren.
Wie sieht die Arbeit der IGL aus?
Vieles ist Informationsarbeit, damit die Leute ihre Rechte kennen. Ich bin bei den Linken und Verdi und versuche deren Strukturen zu nutzen. es ist schon so, dass die Leiharbeiter*innen einen z.T. berechtigten Hass auf die Gewerkschaften haben. Man muss sich engagieren und nach einem Verbot der Leiharbeit rufen statt nach einer Regulierung. Es ist mehr Solidarität zwischen Stammbelegschaften und Leiharbeiter*innen notwendig. Uns ist es wichtig, die Leiharbeiter*innen selbst zu aktivieren.
Interview mit Gerwin Goldstein, Betriebsrat bei Daimler Benz, Bremen
Ist bei euch im Betrieb Leiharbeit ein Thema?
Wir haben zwei Themen: Leiharbeit und Werkverträge. Da ist noch eine größere Spaltung: Wir haben bei uns Stammmitarbeiter*innen, Leiharbeiter*innen, Praktikant*innen, Ferienarbeiter*innen, Dauerferienarbeiter*innen, Student*innen, die nur am Samstag arbeiten … Wahnsinn, einfach Wahnsinn! Das hätte keiner gedacht vor 10 Jahren. Ich bin jetzt seit 38 Jahren in der Firma, die letzten 5-8 Jahre ist es wirklich schlimm geworden.
Wie sieht das die Stammbelegschaft?
Die Kolleg*innen haben schon längst erkannt, dass die Leiharbeiter*innen die Ärmsten der Armen sind und sie zwischen uns auch als Spaltung benutzt werden.
Habt ihr euch eingesetzt für die Leiharbeiter*innen?
Wir haben es als Betriebsrat immerhin geschafft, dass muss man auch lobend erwähnen, dass kein*e Leiharbeiter*in unter dem Einstiegslohn eines*r festen Arbeiter*in arbeitet. Dann wird von Daimler aufgestockt auf 20,34 €.
Werden Leiharbeiter*innen auch sonst gleich behandelt?
Praktisch dürfen diese Kolleg*innen nach 3 Tagen Krankheit vom Meister abgemeldet werden. In meinen Augen ist das eine Kündigung. Es kämpfen sich Leute krank zur Arbeit. Und leider gibt es auch Meister, die versuchen, den Leiharbeiter*innen Hoffnung zu machen, „wenn du arbeitest wie wild, sorge ich dafür, dass du übernommen wirst“. Die machen dann leider den Fehler, auch wenn ich es verstehen kann, reinzuhauen, wie die Blöden …
Ist das eine Frage des Betriebs oder siehst du einen politischen Zusammenhang?
Seit der Regierungszeit von Kanzler Schröder, da wurde die Leiharbeit aktuell, dann kam die IG Metall mit ihrem „Regulieren“. Für uns war immer klar, da gibt es nichts zu regulieren: Die muss verboten werden!
Wie geht ihr mit Leiharbeit im Betrieb um?
Es gibt leider Kolleg*innen, die sagen, „wieso machen die Leiharbeiter*innen nichts? Wieso wehren sie sich nicht?“ Ich sage dann: „Leute, wie sollen die sich denn wehren? Die sind völlig ungeschützt. Wir müssen uns für sie einsetzen, uns passiert doch gar nichts. Wir müssen für die Leiharbeiter*innen eintreten.“ Dann können wir was zusammen machen. Wir haben bei uns immer schon eine Gruppe von Kolleg*innen, bis zu 30 Leute, die immer offensiv mit Flugblättern, auf Vertrauensleuteversammlungen die Sache diskutiert hat.
Und wir, vor allem die Nachtschicht, die hat auch den berühmten Streik an den Tag gelegt mit Nachhausegehen und so. Da war die Forderung: Leiharbeit verbieten! Aber das ist von der IGM nicht gewollt.
Streiken gegen Leiharbeit? Wie geht das?
Wir haben mehrere Aktionen gehabt. Wir sind rausgegangen, sind einmal ums Werk gegangen, haben Transparente über die Hochstraße gehängt gegen Leiharbeit, wir haben Transparente von der Brücke runtergelassen und in der Frühschicht eine Aktion gehabt, wo wir den Werkleiter aus seinem Büro geholt haben. Die IGM macht immer eins: Rausgehen, dann eine Diskussion für 2 Std., dann geht es zurück an die Arbeit.
Dann haben wir es aber geschafft, dass in der Frühschicht Kolleg*innen rausgegangen sind: Ein riesen Aufstand, die Polizei war nicht informiert, ein riesiges Verkehrschaos, das kam natürlich sehr gut an. […] und dann kam die Aktion mit der Nachtschicht. Das war der Hammer. Da haben Kolleg*innen zusammen mit der Vertrauenskörperleitung sich organisiert und gesagt, gut, wir machen eine Aktion und von vornherein war klar, dass die Aktion nicht heißen kann: dann gehen wir alle wieder schön brav an die Arbeit.
Dann waren wir ungefähr 1400 Kolleg*innen in der Nacht, die die Arbeit niedergelegt haben, wir haben uns dann auf der Kreuzung versammelt. Kein LKW kam mehr raus, keiner mehr rein. Dann kam der Werkschutz und die Tore wurden alle dichtgemacht. […] Damit war die ganze Nachtschicht hinüber. Totalverlust sozusagen. Die ganze Nachtschicht ist ausgefallen.
Wir danken der Leihkeule für die Erlaubnis zum Nachdruck dieser Interview-Ausschnitte. Das ursprüngliche Interview kann auf http://www.chefduzen.de/nachgelesen werden.