Hartmut Obens, Vorsitzender der Linksfraktion Eimbüttel, hat eine Rede zum Verkauf von 12 ha Grünfläche an der Beiersdorf-Konzern gehalten:

Rede | Kein Grünfraß durch Beiersdorf – Die grüne Lunge für die Lokstedter muss erhalten bleiben!

Hartmut Obens

Bezirksversammlung Eimsbüttel 22.02.2018:

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste,

vorweg bitte ich um Nachsicht, dass ich die in diesem Beitrag angesprochenen Punkte nicht alle ausargumentieren kann; die begrenzte Redezeit  erlaubt das nicht.

Ich will es ohne Umschweife an den Anfang stellen:
Die LINKE lehnt den Verkauf dieser noch der Freien und Hansestadt gehörenden Lokstedter Flächen an den Beiersdorf-Konzern ab und fordert die Bürgerschaft auf, der Senatsdrucksache 21/11822 nicht zuzustimmen.

In dieser Senatsdrucksache finden sich auf vielen Seiten genaue Regelungen zugunsten von Beiersdorf. Was aber vollständig fehlt, ist eine Darstellung des tatsächlichen Flächenbedarfs, einschließlich der kalkulierbaren Erweiterungspuffer. Hier bleibt man vage und spricht einfach von 12 Hektar! Und auf ganzen zehn Zeilen, unpräzise und unverbindlich, denkt der Senat auch an die Anwohner, an Freizeit und Klimaschutz und möchte diese Anforderungen im Rahmen eines B-Planverfahrens berücksichtigt wissen: Man wünsche eine,  ich zitiere,  „angemessene Sicherung der Freiraumqualität einschließlich Verbindungsfunktion für die umgebenden Stadtteile als auch entsprechende Auflagen zum Klimaschutz“.

Der NABU hat bekanntlich eine Volksinitiative „Grün erhalten“ auf den Weg gebracht, die wir LINKEN unterstützen. Dessen Vorsitzender, der ehemalige grüne Umweltsenator Alexander Porschke, brachte seine Besorgnis zum Ausdruck. In seinem Brief vom 28. November 2017 an die Rathaus-Fraktion der SPD heißt es unter der Überschrift „Kein Verkauf von Kleingärten an Beiersdorf“ u.a.:  „Die Verkaufszusage an Fa. Beiersdorf läuft erkennbar auf eine langfristige Planung, diese Flächen ihrer jetzigen Nutzung zu entziehen hinaus. Eine entsprechende Öffentlichkeitsbeteiligung dazu hat es jedoch nicht gegeben. Stattdessen werden durch den Verkauf jetzt Fakten geschaffen, die eine spätere ergebnisoffene Planung künftiger Nutzungen faktisch verunmöglichen. Dieses Vorgehen halten wir für nicht angemessen.“

Nun, etwas anderes sagen und fordern wir LINKE in Eimsbüttel auch nicht!
Wir sagen ganz klar: Eine angemessene Berücksichtigung der Freizeit- und Erholungsbedarfe und des Klimaschutzes kann nicht über einen B-Plan auf Grundlage der im Vertrag fixierten Flächenzuweisungen an Beiersdorf erfolgen, sondern nur durch Neuverhandlung des Vertrages mit entsprechender Berücksichtigung der Flächenbedarfe auch für Anwohner und Schreber!

Ich komme jetzt zur Öffentlichkeitsarbeit und zur sogenannten Informationsveranstaltung von Beiersdorf, Bezirksamt und Senat am 30.1.2018.
Man warb mit einer öffentlichen Informationsveranstaltung, sperrte aber den NDR und sein „Hamburg Journal“ durch ein Drehverbot aus! Das ist grotesk und lässt nur eine Schlussfolgerung zu:

Öffentliche Interessen können nicht unter dem Hausrecht einer Interessenpartei verhandelt werden! Und zu alledem: Völliges Schweigen von Senat und Bezirksamt!

Wir meinen: Senat und Bezirksamt sollten Schutzmacht der Öffentlichkeit gegen mächtige Einzelinteressen sein und nicht Anwälte mächtiger Einzelinteressen gegen die Öffentlichkeit!

Wir fordern deshalb: Entweder vollständige Öffentlichkeit oder einen öffentlichen Veranstaltungsort ohne jede Beschneidung der Berichterstattung!

Zur Begründung für den Flächenfraß wird oft davon gesprochen, dass Beiersdorf der einzige Hamburger Dax-Konzern sei und Weltgeltung besitzt. Nun sollte man nicht so tun, als ob es ein Verdienst sei, ein Dax-Konzern zu sein, zumal, wenn man weiß, wer sich eigentlich hinter diesem Dax-Konzern als Aktionäre verbirgt.
Es ist die Familie Hertz, als milliardenschwerer Mehrheitsaktionär und die in der Finanzkrise besonders übel aufgefallene amerikanische Heuschrecke „Black Rock“ (6%), die sich um Lokstedt, Eimsbüttel und Hamburg wenig schert, wenns drauf ankommt.
Wir meinen: Soll eine milliardenschwere Hamburger Familie und eine amerikanische Heuschrecke bestimmen, wie mit den Anwohnern und Schrebern in Lokstedt umgegangen wird?

Olaf Scholz, zukünftiger  Ex-Bürgermeister von Hamburg, macht den Beiersdorf-Aktionären ein
vierfaches Geschenk:

  1. Das erste Geschenk: Ein Konzern bekommt das einzige und letzte größere Lokstedter Grünareal, in den Ausmaßen von etwa 17 Fußballfeldern!
  2. Und das für einen Schnäppchenpreis von 300 Euro pro Quadratmeter
  3. Scholz macht Beiersdorf auch noch zum Immobilienkonzern (Wohnungsbau an der Unnastraße), wo man plant, ca. 800 Wohneinheiten zu bauen, in bester Eimsbütteler Lage!
  4. Was viele nicht sehen oder nicht sehen wollen:
    Durch bloße Bodenrechtsänderung, die wir als Bezirk beschließen sollen, bescheren wir dem Konzern über Nacht einen Sofortgewinn von ca. 100 Millionen Euro, wie die Boden-Richtwerttabelle „BORIS“ ausweist.

Was sind da die 35 Millionen Euro für den Aufkauf der Grünflächen!
35 Mio Euro bringen danach für Beiersdorf und seine Aktionäre eine Sofortrendite von 200%!

Olaf Scholz hatte doch mal versprochen, gut zu regieren! Das heißt doch wohl, das Bürgerinteresse in den Mittelpunkt zu stellen und nicht Konzerne und deren Aktienhalter mit Millionengeschenken und Flächenvergaben zu päppeln!

Was sind nun die Argumente der LINKEN gegen die Behauptungen von Beiersdorf und Senat:

Aber geht es hier darum? Nein.
Wir sind für das Nebeneinander von Wohnen, anwohnerbezogenem Handwerk und Dienstleistungen.
Wir sind auch für regen Fahrradverkehr im Quartier statt Co2-Ausstoß.
Aber das ist doch nicht das, was uns mit Beiersdorf erwartet!
Hier geht es um großindustrielle Fertigung, chemielastige Forschung und massiven Lieferverkehr!
Wie kann man diese Tatsachen derart romantisch verklären und eine derartige Idylle malen, wie das durch dieses „Miteinander- und Nebeneneinander“-Gerede geschieht?

  1. Das Nebeneinander von Wohnen, Arbeit und Freizeit. Ja, dafür sind wir auch.
  2. Es sollen 300 neue Arbeitsplätze kommen. Ja, wir sind für Arbeit und Beschäftigung im Bezirk, für die Sicherung von Arbeitsplätzen auch bei Beiersdorf.
    Das ist aber möglich durch einen maßvollen Umgang mit Grünflächen und einer Zurückhaltung beim Bau von großflächigen Fertigungs-, Verwaltungs- und Forschungsbauten, die Lokstedt zu einem einzigen Beiers-DORF machen, in dem ganz nebenbei auch Menschen wohnen.
    Dieses  Arbeitsplatzargument ist hier nichts anderes als ein Zweckargument, um den Flächenfraß auf Kosten der Anwohner_innen und Schreber_innen zu rechtfertigen!
  3. Wir in der Bezirksversammlung haben seit Jahren Lokstedt immer als „Urbanisierungszone“ für den Bau von citynaher und grüner Wohnungsumgebung hochgehalten, auch mit Zustimmung der LINKEN.
    Jetzt aber, wo einige Tausend Menschen hier am Veilchenweg und Umgebung wohnen und sich wohlfühlen, soll aus dieser „Urbanisierungszone“ anscheinend eine Beiersdorf-„Industrialisierungszone“ werden.
    Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Menschen erst nach Lokstedt gelockt werden, um sie dann mit Beton und Industriebauten zu beglücken.
  4. Und der zunehmende Verkehr?
    Hat man eine Verkehrs-Belastungsanalyse gemacht, um den Anwohner_innen reinen Wein einzuschenken?
    Hamburg ist die Stadt mit den höchsten verkehrsbedingten Feinstaubwerten. Will Lokstedt in dieser Hinsicht zum Bezirk Mitte und anderen Verkehrsschwerpunkten Hamburgs aufschließen? Wir wissen, dass gegen Hamburg eine Klage deswegen läuft. Soll der noch weitere Nahrung gegeben werden? Jeder weiß doch, dass der Lieferverkehr von Beiersdorf mit dieselhungrigen LKWs erfolgt und nicht mit sympathischen Lastenfahrrädern!
  5. Hoher Grundwasserpegel (Setzungsrisse)
    An vielen Stellen Lokstedts befinden sich Flächen, die durch steigende Grundwasserpegel gefährdet sind oder auf denen Retentionsflächen vorgehalten werden müssen, um den steigenden Wasserduck auszugleichen. Wie Anwohner – auch hier in der BV – berichtet haben, sind bereits viele Setzungsrisse festzustellen, auch bei Neubauten in der Nachbarschaft. Eine derart großflächige Versiegelung, wie sie die Beiersdorf-Pläne zur Folge hätten, würde diese Gefahr um ein Vielfaches erhöhen.
  6. Wir fragen, ob nicht die freiwerdende Fläche an der Unnastraße zumindestens teilweise an die Freie und Hansestadt zurückgegeben werden sollte, um dort auch Wohnungsbau zu ermöglichen, der nicht profitorientiert ist und bezahlbare Wohnungen nach dem 1. Förderweg ermöglicht, am besten durch gemeinnützigen genossenschaftlichen Wohnungsbau.
    Nach $ 25 BauGB besteht bei dieser Fläche ein Vorkaufsrecht der Stadt („Städtebauliches Entwicklungsgebiet“).  Wäre das nicht auch eine Art „intelligenter Flächentausch“?

Aber wir LINKEN wollen nicht nur kritisieren, sondern auch konstruktive Vorschläge machen; und es kann nicht schaden, nicht nur gegen sie zu donnern, sondern darüber nachzudenken.

Erstens sind wir der Meinung, dass ein derart weitreichendes Projekt, dass einen Stadtteil grundlegend verändert, mit einer großen Aussprache und einem umfassenden Beteiligungsprojekt beginnen muss. Ein Vertragswerk sollte also zunächst als Entwurf öffentlich vorgelegt und diskutiert werden, anstatt ihn heimlich zu verhandeln und abzuschließen und dann die Öffentlichkeit zu „informieren“. Das ist ein Stil von „Bürgerbeteiligung“, den viele Betroffene zurecht als Show- und Alibiveranstaltung kritisieren. Wir schlagen deshalb vor, noch einmal innezuhalten und einen „Großen Lokstedter Ratschlag“ zu initiieren, der nicht nur die Initiatoren, sondern auch und vor allem die Anwohner und Schreber einbezieht.

Zweitens wollen wir ein öffentliches, grünes und lebenswertes Lokstedt.
Unser Vorschlag, den wir im Rahmen eines solchen „Großen Lokstedter Ratschlags“ einbringen möchten, ist die Einrichtung eines öffentlichen Geländes, das als „Park für Lokstedt“ gestaltet werden könnte, vielleicht mit einer Kita.
Hier könnte eine gute Bürgerbeteiligung viele Ideen und  Gestaltungsvorschläge einbringen, an denen alle Lokstedter ihre Freude hätten.

Und drittens sollte der Bebauungsplan Unnastraße erst auf Grundlage eines solchermaßen ausgehandelten Kompromisses erfolgen!
Also: Die für das Wohnungsbauprojekt geplante Bürgerbeteiligung muss sich auf den gesamten „Beiersdorf-Komplex“ erstrecken!

Ja, wir LINKEN stellen uns gegen die BV-Mehrheit und stehen dafür in der Schusslinie, wie die letzte Bezirksversammlung gezeigt hat. Aber das kennen wir und lassen uns nicht bange machen. Das war bereits beim Bürgerentscheid gegen den Grünfraß des MEAG-Konzerns in Eidelstedt der Fall. Am Ende aber waren es nicht wir, sondern die Befürworter des MEAG-Plans, die bei den Eimsbütteler Bürgern krachend gescheitert sind! Das muss sich ja nicht wiederholen, deshalb plädieren wir dafür, dass die Fraktionen von SPD, GRÜNE und CDU unsere Einwände teilen und ihre jeweiligen Bürgerschaftsfraktionen auffordern, den Verkauf dieser öffentlichen Flächen abzulehnen.

Ich danke allen Anwesenden für die Aufmerksamkeit und wünsche eine sachliche und unaufgeregte Aussprache!