Gastbeitrag von Jan Richter (Bundesprecher der AG Betrieb & Gewerkschaft)

„Ohne Betriebsrat kommen wir nicht in den Himmel“ – Dieser Ausspruch von Claus-Peter Morof, Richter am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, fiel im Zusammenhang mit einem Beschlussverfahren im Sommer 2011, in dem die Modekette H&M die Amtsenthebung des Betriebsrats in der Berliner Friedrichstraße beantragt hatte. Die vom Arbeitgeber geforderte Auflösung des Betriebsrats ist nach aufgeregter zweistündiger Debatte und dem daraus resultierendem Zitat nicht umgesetzt worden. Der Autor dieses Artikels stand damals in seiner Funktion als BR-Vorsitzender des betroffenen Gremiums vor Gericht.

H&M verklagt Betriebsräte

Jetzt will H&M erneut einen Betriebsrat loswerden – diesmal trifft es den Betriebsratsvorsitzenden der Filiale in Tübingen. Dieser soll in einem Vieraugengespräch mit der Filialleitung Gehaltserhöhungen für sich und seine beiden BR-Kollegen gefordert haben. Im Gegenzug werde es weniger Probleme mit der Belegschaft geben, erklärte die Arbeitgeberseite beim Gütetermin vor dem Arbeitsgericht. Die Rechtsanwältin des betroffenen Kollegen streitet den Vorwurf ab und stellt klar, dass dieser sich in besagtem Vieraugengespräch zwar um eine Gehaltserhöhung bemüht habe, dies sei jedoch ausschließlich als Beschäftigter und nicht in seiner Funktion als BR-Vorsitzender geschehen. Eine Verknüpfung von Gehaltsforderung und Betriebsratstätigkeit habe es nicht gegeben. Beim Gütetermin wurde bekannt, dass die vorherige Filialleitung als Antwort auf die interne Bewerbung ihres Mandanten, diesem eine Abfindung in Höhe von 50.000 Euro angeboten habe, damit er das Unternehmen verlässt.

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Damiano Quinto, bei der Gewerkschaft ver.di im Bund für den Textileinzelhandel zuständig, stellt klar:

„Der BR-Vorsitzende hat ein Angebot der Arbeitgeberseite auf einen Aufhebungsvertrag über 50.000 Euro abgelehnt. H&M versucht einen BR-Vorsitzenden durch fristlose Kündigung loszuwerden, nachdem dieser das Unternehmen nicht freiwillig gegen Abfindungszahlung verlassen hat.“

Quinto hat mit fünf fristlosen Kündigungen am eigenen Leib erfahren, wozu H&M imstande ist. Letztendlich unterlag die Modekette vor dem Bundesarbeitsgericht. Augsburg, Berlin, Heilbronn, Stuttgart oder Trier – das sind nur einige Standorte, in denen H&M engagierte und konfliktbereite Betriebsräte angreift und in der Existenz bedroht. Bereits bei der eingangs erwähnten versuchten Amtsenthebung attestierte ver.di der Modekette ein völlig gestörtes Verhältnis zu Betriebsräten, wobei sie oft nach Gutsherrenart entscheide, welche Arbeit sie für die Betriebsräte als erforderlich ansieht oder nicht.

DIE LINKE fordert Ermittlungskompetenzen für die Arbeitsgerichte

Jutta Krellmann, Sprecherin für Mitbestimmungs- und Gewerkschaftspolitik für DIE LINKE im Bundestag, erkennt in dem Vorgehen von H&M eine Systematik:

„Vor allem im Einzelhandel gilt betriebsrats- und gewerkschaftsfeindliches Agieren mittlerweile als Geschäftsmodell. Betriebsräte oder diejenigen, die einen gründen wollen, werden häufig gezielt eingeschüchtert, systematisch kaltgestellt oder direkt gekündigt.“

Obgleich nach § 119 BetrVG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer eine Wahl des Betriebsrats beeinflusst oder dessen Tätigkeit behindert oder stört, kenne sie aus ihrer 30-jährigen Tätigkeit als Gewerkschaftssekretärin keinen Arbeitgeber, der wegen Betriebsratsbehinderung wirklich im Knast gelandet ist. Obwohl betriebsratsfeindliche Maßnahmen gesetzlich verboten sind, werden solche Verstöße kaum verfolgt oder bestraft. Krellmann fordert zur gezielten Verfolgung Schwerpunktstaatsanwaltschaften, denn

„wenn undemokratische Arbeitgeber Union Busting gezielt gegen Beschäftigte einsetzen, müssen sie härter bestraft werden. Hierzu benötigen Arbeitsgerichte Ermittlungskompetenzen wie jedes andere Gericht auch. Betriebsratsarbeit muss spürbar geschützt werden, denn Verstöße gegen die Betriebsverfassung sind kein Kavaliersdelikt, sondern illegal und damit eine Straftat.“